Schwere Luft, leichtes Licht

Die Zikaden tönen metallisch, nicht hölzern wie in Südeuropa. Sie bevorzugen auch hier ölige Gewächse, am liebsten wohl Steineichen, Lorbeer und allerlei für mich noch Namenloses. In den abendlichen Dämmerstunden wird die Welt schwer von Blütenduft, etwas leidenschaftlich Wächsernes setzt sich durch und holt ganz unterschiedliche Erinnerungen aus meinem Innersten. Etwa das Wölkchen nach dem Ausblasen von Weihnachtskerzen, erwartungsvoll. Nimmermüde Jacaranda-Bäume, unerschrocken ihr Violett, sie scheinen den Erdboden aus den Angeln zu lösen und machen alles ganz leicht und frei. Die Eukalypsen wachsen in den Himmel, hinter ihrem kühn-filigranen Geäst leuchten rosarote Schäfchenwolken vor barockblauen Himmel. Erinnerungen an den Golf von Napoli, das Erstaunen, dass die Wirklichkeit unseren Kitschbildern in nichts nachsteht. Die Berge wirken schroff und unbewohnt, umso mehr erstaunt zu meinen Füssen ein munterer Bach mit üppigem Wasserlauf. Allein das Glucksen und Plätschern ist Labsal nach dem heissen Tag. Palmen gegen den dem Sonnenuntergang abgewandten, tizianischen Himmelsgewölbe – sie wollen verzaubern wie Reisebürowerbung. Aber die Idylle ist nicht perfekt, stacheldrahtbewehrte Villen hinter Bougainvillea erinnern mich, wo ich bin.

Grosse, ausgewachsene, würdevolle Bäume, im Mittelmeerraum eher selten, sind sie Hinweise? Wo Bäume auswachsen dürfen, setzt sich jemand durch, der sich das leisten kann. Das fällt auch in der Toscana auf. Baumschutzreglemente können das wohl kaum ersetzen, sie erhalten bestenfalls Mittelmass. Ein ausgeprägtes Haftpflichtbewusstsein führt unter mitteleuropäischen Verhältnissen dazu, dass keine Bäume mehr in den Himmel wachsen. Solche Grandezza kriegen wir nicht mehr hin.

Leben wir wohl im Mittelmass?

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